„La carta ha futuro“ – Papier hat Zukunft: Mit diesem Statement begrüßt das Museo della Carta e della Filigrana im italienischen Fabriano, dem Geburtsort der europäischen Papierherstellung, seine Gäste. Eine bessere Aufforderung, sich der Papierherstellung zu widmen, gibt es für uns kaum.
Die weite Reise in die Marken sparen wir uns jedoch. Denn einerseits bietet die Papierindustrie in Mitteldeutschland ebenso viel Unerwartetes und andererseits steht das diesjährige Sommerwetter dem in Italien in nichts nach.
Ein Besuch bei Koehler Paper in Greiz
Die Reise führt uns nach Thüringen, nach Greiz – Zentrum der Papierindustrie seit 1591. Die Alte Papierfabrik mit Ursprüngen aus dem Jahr 1634 zeugt von dieser langen Tradition. Heute ist sie ein Kulturzentrum. Die erste industrielle Papiermaschine, die dort im Jahr 1865 den Betrieb aufnahm, kam von einer Firma Köhler aus Nossen. Wie es der Zufall will – nach sieben weiteren Papiermaschinen und dem Umzug an einen nahegelegenen neuen Standort im Jahr 1971 – kaufte die Koehler-Gruppe den Traditionsbetrieb, der heute durchgefärbte Naturpapiere aus 100 Prozent Recyclingfasern herstellt.
Papierabfälle in allen Farben
Die Besonderheiten einer Papierfabrik, die mit Recyclingfasern produziert, nehmen wir sofort wahr. Das gesamte Werksgelände liegt voller Papierballen. Sortiert nach Farben und Qualitäten bieten sie ein interessantes Bild: Aus der Ferne leuchten sie in allen Pastelltönen, die man sich vorstellen kann: quittegelb, lindgrün, pfirsichfarben. Geht man näher heran, sind manche Entdeckungen vorprogrammiert – Ballen mit gepressten Pokémon-Heften, Prospekte eines Baumarktes, Literatur in bekannten und unbekannten Sprachen soweit das Auge reicht. Fotomotive, wie man sie sonst wahrscheinlich nirgends vor die Linse bekommt.
Den zweiten Eindruck bestätigt Thomas Wuttke, Key Account Manager im Unternehmen und außerdem „einer von uns“. Der Wind ist der Hauptfeind eines Betriebes, der Papiere recycelt. Auf den Freiflächen tummeln sich Papierfetzen aller Art, auch wenn sie Stunde um Stunde weggeräumt, aufgesaugt und eingesammelt werden. Im engen Tal der Göltzsch pfeift der Wind und lässt die Zettel tanzen.
Ressourcen nutzen und schonen
In den ersten Gebäuden der Fabrik empfangen uns Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit und eine kraftvolle Geräuschkulisse – mal schwächer, mal stärker. Die Anlagen bereiten die angelieferten Papiere in mehreren Stufen auf, befreien sie von Fremdkörpern, Druckfarbe und weiteren Bestandteilen. Es entsteht ein Faserbrei wie man ihn in jeder anderen Papierfabrik sieht. Nur eben aus Recycling-Fasern. Und für die Reste gibt es auch eine Verwendung. Ziegeleien nutzen sie als Bestandteil ihrer eigenen Produkte.
Das Labor ist nicht weit: Hier erfolgen die Tests, damit das Papier Charge um Charge identische Eigenschaften aufweist. In einem Nebengebäude in Sichtweite befindet sich die Wasseraufbereitung. Dirk Hoffmann, Qualitätsmanager im Unternehmen, erläutert: „Das aus dem Fluss entnommene Wasser wird ihm wieder zugeführt. Sauberer als vorher.“
Und dann kommt endlich das Herzstück des Betriebes – die Papiermaschine. Etwa 100 Meter lang, 2,72 Meter Arbeitsbreite. Das ist bestimmt kein Superlativ in der Industrie, aber für die Produktion von Recycling-Papieren mehr als respektabel. Durch regelmäßige Revisionen und Anbauten ist die Anlage auf dem neuesten Stand der Technik. In der ihr eigenen Gelassenheit produziert sie Tag für Tag etwa 100 Tonnen Papier.
Produktvielfalt bis ins Luxus-Segment hinein
Konfektionierung und Lager sind erneut ein Augenschmaus für Besucher. In Rollen- und Bogenware, auf Palette oder geriest tummeln sich hier Papiere, die unter den Marken Eco Paper, creative print, COLORline IQ und Creative Board weltweit im Handel sind. In Grammaturen zwischen 90 und 350 g/m2, in über 30 Farben. Allein über die Abfolge, in der sie auf der Papiermaschine produziert werden, lassen sich Seiten füllen.
Genauso umfangreich wie die Produktvielfalt sind die Anwendungen: Von hochwertigen Verpackungen und Taschen über Broschüren- und Bucheinbände, den Bastelbedarf, die Kalenderproduktion, bis hin zu Digitaldruck-Erzeugnissen reicht das Spektrum der Endprodukte. Die Papiere lassen sich bedrucken, prägen und in vielen anderen Formen veredeln. Alle Koehler Greiz-Qualitäten sind mit dem Umweltzeichen Blauer Engel ausgezeichnet.
Sandra Schmidt von der Europapier Group schrieb kürzlich in der Fachzeitschrift Graphische Revue über die Papiere aus Greiz: „Jeder Farbton fängt die Essenz der Welt um uns herum ein und verleiht Projekten Wärme und Tiefe.“ Dazu gehören immer häufiger Projekte von Markenartiklern, auch einigen sächsischen – beispielsweise aus der Uhren-, Schmuck- und Porzellanindustrie, deren Verpackungen wir bewundern.
Und noch etwas nehmen wir aus unserem kleinen Exkurs durch die Welt der Recycling-Papiere mit: Die weißen Bons von den Supermarktkassen lassen sich nicht recyceln. Sie gehören in die gelbe Tonne. Die blauen Quittungen sind recycelbar und damit Papierabfall.
Text: Martin Dänhardt / Fotos: Ilka Zoche
Am 16. November trafen wir uns in Leipzig, um versteckte und unzugängliche Plätze in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) zu entdecken. Christine Hartmann zeigte uns die „Hidden Places“ – die sich auch im Rahmen öffentlicher Führungen und teilweise mit Hilfe des Blogs der DNB erkunden lassen. Deswegen halten wir uns hier an Johann Gottfried Seume, der in seinem „Spaziergang nach Syrakus im Jahr 1802“ (also vor genau 222 Jahren) schreibt: „Ich stehe für alles, was ich selbst gesehen habe, insofern ich meinen Ansichten und Einsichten trauen darf.“
Wir trauen Christines Ansichten und starteten unseren Rundgang auf der Hochzeitstreppe. Geheiratet hat hier niemand. Doch warum heißt sie so? Auf der Website der DNB gibt es dazu 0 Treffer. Also beginnen die ersten Vermutungen und Interpretationen: Die Treppe verbindet den 2011 eröffneten 4. Erweiterungsbau mit dem Hauptgebäude aus dem Jahr 1916. Das wird der Grund für den Namen sein.
Unterm Dach
Wir steigen weiter nach oben und sind schon bald unter dem Dach des Altbaus: Zeitschriftenarchiv, Buchtransportanlage – außer uns kein Mensch weit und breit. Und schon öffnet sich ein Fenster. Wir befinden uns auf der Rückseite der markanten Fassadenuhr – es ist 18.40 Uhr. Wir genießen den atemberaubenden Blick durchs Ziffernblatt auf den relativ verwaisten Deutschen Platz.
Viel zu schnell geht es weiter nach oben. Hier befand sich das Sperrmagazin, in das lange Zeit nur wenige Menschen Zugang hatten. Heute laufen wir durch, ohne dass es jemanden interessiert. Das Ziel ist die Rotunde, früherer Uhrenturm, danach Lesesaal zum Sperrmagazin und damit „Giftturm“ des Hauses. Heute präsentiert er sich eher harmlos: holzgetäfelt, mit Fenstern und Austritten, die einen Rundblick über die gesamte DNB mit ihren Erweiterungsbauten, die Stadt und die Russische Gedächtniskirche bieten. In einer Ecke liegen Yogamatten. Damit ist die heutige Nutzung geklärt.
An der Tür zur Generaldirektion knacken wir ein Typorätsel. Abgesehen von miserabel ausgeglichenen Versalien lenkt Christine unsere Blicke auf die beiden „N“ im Wort. Richtig, das erste der beiden ist um 180 Grad verdreht. Ganz eindeutig! Die Direktoren sind links und rechts neben der Tür in Öl auf Leinwand verewigt. Alle? Nicht alle. Die letzten beiden mussten sich mit großformatigen Fotografien begnügen.
Im Keller
Es geht nach unten. Am Zeitschriftenlesesaal vorbei. Im Moment ist er Baustelle. Am Haupteingang vorbei. Der Wachmann sieht uns interessiert hinterher. In den Keller. Der Glanz des Treppenhauses verblasst. Wir stehen in einem unendlich langen Kellergang. Er ist mit hell glasierten Ziegeln verblendet. Ansonsten passt er mit seiner modernen Brandschutzausstattung und Gebäudeausrüstung überhaupt nicht zum ehrwürdigen Gebäude. Jedoch eins ist geblieben: In diesen Tiefen befindet sich der Grundstein des Hauses. Die Jahreszahlen 1914–1916 verweisen auf Baubeginn und Fertigstellung. Ob sich auch heute noch Großprojekte dieser Art in einer so kurzen Zeit stemmen lassen? Wir denken positiv.
Weiter geht es durch den Kellergang. Der Übergang vom Hauptgebäude zum Magazinflügel des 4. Erweiterungsbaus lässt sich durch eine Brandschutztür erahnen. Dahinter befindet sich ein weiterer endloser Gang, jetzt ganz aus Beton. Wir biegen ab und finden uns in einer Schleuse wieder. Die erste Tür schließt sich, eine andere geht auf. Wir stehen in einem der modernen Magazine des Erweiterungsbaus und sind beeindruckt. Rollregale soweit das Auge reicht. Nachts sind sie jeweils einen Spaltbreit geöffnet, um die Medienwerke unter optimalen klimatischen Bedingungen zu lagern.
Es geht zurück durch die Schleuse, eine Treppe nach oben. Kaum zu glauben, zwei kurzweilige Stunden sind vergangen und wir betreten durch eine Tür „Nur für Mitarbeiter“ das Foyer des Museums. Gerne hätten wir mehr gesehen. Sicher kommen wir wieder, denn die DNB bietet Dauer- und Sonderausstellungen sowie unterschiedliche Führungen durchs Haus.
Fazit
Die kulturellen Angebote der DNB sind riesig, sowohl für den Standort Leipzig als auch für Frankfurt/Main. Was kaum einer weiß, Ausstellungsbesuche und Führungen sind kostenlos, da es sich bei der Bibliothek um eine Bundesbehörde handelt.
Der Sammelauftrag der DNB umfasst alle Publikationen in Deutschland, unabhängig von der Sprache und unabhängig davon, ob sie in einem Verlag erscheinen oder privat verlegt werden. Jeweils zwei Pflichtexemplare müssen eingereicht werden. Mit diesem Wissen ging es zurück nach Hause und am nächsten Tag ins Büro, um die beiden Pflichtexemplare für eine jüngst erschienene Publikation nach Leipzig zu senden.
Text: Martin Dänhardt / Fotos: Ilka Zoche
Hat Dich ein Bierdeckel auf diese Seite geführt? Hurra, dann ist unser Experiment geglückt: Wir haben mit Hilfe einer fast ausgestorbenen Technik die digitale mit der analogen Welt verbunden. Wie das genau vonstattenging, lest selbst und erzählt es weiter.
Können wir im Handsatz aus beweglichen Lettern einen QR-Code erstellen und auf Visitenkarten drucken? Dieter Seppelt, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Museums für Druckkunst Leipzig, nahm diese dahingesagte Idee ernst und legte gleich los. Obwohl von quick response (QR), also einer schnellen Antwort hier nicht die Rede sein kann. Die analoge Erstellung im Handsatz braucht schon etwas Zeit. Und „nur“ einen Code drucken, war uns zu wenig.
Das Ergebnis sind ca. 300 Visitenkarten auf deren Vorderseite der QR-Code zu unserer Internetseite gedruckt ist und auf der Rückseite ein Rundsatz mit Absender und dem Wappen der Buchdrucker. Natürlich haben unsere Visitenkarten gleich noch einen praktischen Nutzen, denn als Bierdeckel liegen sie in unseren geselligen Runden nun immer auf den Tischen und regen zum Fachsimpeln an.
Dank der folgenden Dokumentation von Herrn Seppelt, können wir jeden Schritt seines Vorgehens nachvollziehen und vielleicht bei Bedarf auch eine Nachauflage produzieren.
„Der QR-Code bzw. dessen Vorlage wurde natürlich mit digitaler Technik erzeugt. Für den Satz verwendete ich Linienelemente in 6 Punkt. Die waren in ausreichender Menge im Museum vorrätig. Der fertige Satz passte letztendlich in der Dimension auch auf einen klassischen runden Bierdeckel im Format 10,7 cm.
Auf der Rückseite sollte das Wappen und der Gruß („Gott grüß’ die Kunst“) der Buchdrucker sowie unser Absender aufgedruckt werden. Die Erstellung eines Manuskriptes ist hier sehr wichtig, da aufgrund der Form des Bierdeckels, Rundsatz nötig war. Also musste ich überlegen, welche Schriftgröße zum Deckelradius passt. Der Durchmesser des Bierdeckels ist 10,7 cm. Der Entwurf für den Rundsatz ergibt einen Durchmesser von 7 cm. Ich wählte also die 24 Punkt Times aus. Nun benötigte ich noch einen festen Ring, um den ich die Lettern legte. Aus Stabilitätsgründen sollte er möglichst aus Metall sein. Und wenn er nicht mitdrucken sollte, musste er natürlich auf Ausschluss-Höhe gebracht werden. Zwischen den Lettern ergaben sich Leerräume, die mit Blindmaterial aufgefüllt wurden.
Der Satz
Ich habe, wie bei jedem Satz, mit Über- und Unterschlag (in diesem Fall 24 Cicero Satzbreite) begonnen, da hinein habe ich die Ringe platziert, das Ganze vorerst mit Magneten stabilisiert und dann schon einmal die ersten Buchstaben eingefügt. Dann habe ich den restlichen Text zwischen die beiden Ringe gesetzt.
Beide Zeilen „GOTT GRÜSS DIE KUNST“ und „Polygrafen Kollektiv Leipzig“ sind jeweils mit einem Stern getrennt. Damit ist der eigentliche Rundsatz schon beendet. Ach so, die Ringe sind übrigens aus Plaste (HT-Rohr, Baumarkt).
Im Museumsmagazin lagen noch wunderschöne Messing-Klischees des Buchdruckerwappens. Davon durfte ich eines verwenden, welches auch noch wie angegossen in die Mitte des Rundsatzes passte. Das ersparte mir eine Menge zusätzlicher Arbeit. Nicht nur die Beschaffung eines neuen Klischees, sondern auch die geplante Umsetzung (siehe Manuskript). Das ursprüngliche Klischee sollte in die Mitte platziert und mit einem Kreis umschlossen werden. Ich hätte die Mitte des Kreises mit hohen Unterlagstegen ausfüllen müssen. Aber so kleine hohe Stege gibt es nicht vom Material her, um alle Lücken auszufüllen. Da das zur Verfügung gestellte Klischee auch kleiner als geplant ist, fand statt des Kreises nun der Absender des Museums seinen Platz.
Die Zwischenräume außerhalb des Kreises habe ich noch aufgefüllt, sodass der Kreis fest in der Mitte verankert war und ausgebunden werden konnte
Der Druck
Die Bierdeckel wurden auf dem Bosten-Tiegel in der Setzerei gedruckt. Dafür musste ich eine Anlage für die Deckel ausmessen. Das ging am einfachsten, indem ich einen Abdruck mit wenig Farbe auf den Aufzug machte. Für die Anlage nahm ich Ausschluss, und zwar drei Zwei-Cicero-Stücke in 4 Punkt Stärke, und habe darauf ein Stück Karton geklebt. Nach einem nochmaligen Probeabdruck, diesmal auf einen Bierdeckel, und der Standkontrolle/-korrektur, musste jetzt nur noch Farbe auf dem Tiegel aufgetragen werden und dann konnte es losgehen.“
Text und Fotos: Dieter Seppelt, Ilka Zoche
Unter diesem Titel luden das Polygrafen Kollektiv Leipzig und der Gestalter, Buchdrucker und Verleger Klaus Raasch aus Hamburg am 4. August 2022 zu einem ganz besonderen Filmabend ein. Für zwei Stunden begaben sich 30 Gäste auf eine Reise an längst verlassene Orte der Schwarzen Kunst und in die Welt der Zeichen. Wie das unter Asche verborgene Pompeji lebten die Imprimerie Nationale, die französische Staatsdruckerei in Paris und die bedeutendste Fremdsprachendruckerei Europas – J.J.Augustin in Glückstadt – noch einmal auf und wurden zum Leuchten gebracht. Das LURU-Kino in der Baumwollspinnerei bot dafür die perfekte Kulisse.
Alle drei gezeigten Filme wurden von diethede, einem Kollektiv von Dokumentarfilmern, produziert, das 1980 in Hamburg-Altona gegründet wurde. Nach dem Modell „Produktion und Vertrieb in eigener Hand“ entstanden so, unabhängig von öffentlich-rechtlichen Sendern oder anderen Auftraggebern, in 37 Jahren bereits 60 Filme. Seit 2017 wird diethede als Verein geführt.
SCHRIFT IST EIN ABENTEUER
D 2007, 38 Minuten
Buch/Regie: Maria Hemmleb, Artur Dieckhoff
Kamera: Christian Bau, Bettina Clasen
Montage: Maria Hemmleb
Nachdem die Räumlichkeiten der französischen Staatsdruckerei in Paris unter weltweitem Protest verkauft wurde und der Umzug in ein temporäres Provisorium bevorstand, wurde 2005/2006 der Dokumentarfilm gedreht. Es wird ein letzter Blick in die historische Betriebsamkeit gewährt, die von den Schriftkünstlern, Setzern und Druckern ausgeht. „Der eigentliche immaterielle Schatz befindet sich in den Köpfen und den Händen der Kollegen – das Wissen um das Abenteuer Schrift“, so wird es treffend zu Beginn des Films ausgesprochen.
Die Begeisterung für Schriftzeichen geht schnell auf den Zuschauer über während die Protagonisten leidenschaftlich von ihrer Arbeit erzählen. So schauen wir der letzten Stempelschneiderin Nelly Gable beim Rekonstruieren der historischen Schrift Garamond zu. Sie liebt das Schneiden von kursiven runden Buchstaben, weil hier die Zeichen in Bewegung geraten. Ein Stempel ist für sie wie eine Skulptur. Dabei muss sie akkurat und genau einen speziellen Stahl bearbeiten, denn sie hat immer nur einen Versuch.
Das Abenteuer Mensch findet sich in der Schrift wieder, so resümiert der Druckermeister Frédéric Tachot, der mit der Zigarette im Mundwinkel noch schnell einen Druckabzug macht. Er vergleicht die Letter mit einem Lebewesen: „Oben ist der Kopf, unten der Fuß, auf jeder Seite das Fleisch, das den Abstand zwischen den Buchstaben ergibt. Er kann mehr oder weniger sympathisch sein. Die druckende Partie nennt man das Auge, die Größe den Körper …“ Er verweist auch auf die oftmals interessanteren Rückseiten von Holzlettern. Spuren von aufgeklebtem Zeitungspapier oder ein weiteres handgeschnittenes Zeichen erzählen dort eine ganz eigene Geschichte.
Der einmalige Schatz an Druckschriften aus den letzten 300 Jahren wird gezeigt. Darunter befinden sich komplette Zeichensätze von Aramäisch bis zu Hieroglyphen, der weltweit größte orientalische Schriftbestand, die original Gießmatrizen der Garamond aus der Barockzeit, der kleinste Stempel mit 6 Gramm und der größte mit einem Gewicht von 6 Kilogramm. Alle Schriften der Imprimerie Nationale finden sich in dem Buch Das Kabinett der Schriftstempel wieder.
Der Film entstand mit Unterstützung der Heidelberger Druckmaschinen AG und aus der Zusammenarbeit der Assoziation Europäischer Druckmuseen. Er wurde das erste Mal 2008 unter dem Titel Zeichen der Welt oder Wie das Fremde ins Buch kam bei einer Ausstellung im Museum der Arbeit in Hamburg gezeigt. Überraschenderweise kamen zu dieser Filmpremiere 300 Gäste. So erzählte es Klaus Raasch im Anschluss an unsere Filmvorführung. Vor dem elektronischen Satz wurden die erforderlichen Lettern mechanisch hergestellt. Zentrale Staatsdruckereien besaßen einen großen Vorrat an fremdsprachlichem Satz. So auch die größte private Fremdsprachendruckerei J.J.Augustin in Glückstadt. Anlässlich ihres 375. Jubiläums zeigte die oben erwähnte Ausstellung in Fotos, Satzmaterial und Büchern die Arbeit des Betriebs, der seit Mitte der 1920er Jahre vielfältige Publikationen im Bereich der Altertumskunde, der Sprachwissenschaft und der Landeskunde hervorbrachte. Film und Fotos von Bettina Clasen erläutern den Schriftschnitt in der Imprimerie Nationale in Paris. Das Satzmaterial und die Arbeitsdokumente belegen die Tätigkeit der Fremdsprachensetzer in der Reichs- bzw. Bundesdruckerei Berlin.
Dieser Film hatte die Türen in Glückstadt geöffnet und damit auch das nächste Projekt angestoßen. Walter Prueß, der letzte Geschäftsführer und Verwalter der Druckerei J.J.Augustin, war nach dem Erfolg des ersten Films auch davon überzeugt, dass hier keine Laien, sondern ehrliche Interessenten um Einlass bitten.
ZWIEBELFISCHE
Jimmy Ernst, Glückstadt – New York
D 2010, 58 Minuten
Buch/Regie: Christian Bau, Artur Dieckhoff
Kamera: Barbara Metzlaff, Jörn Staeger
Montage: Maria Hemmleb
Musik: Ulrike Haage
Der Regisseur Christian Bau hat mehr oder weniger zufällig im Vorfeld zu den Filmarbeiten die Autobiografie von Jimmy Ernst gelesen und war dann selbst an dem im Buch benannten Ort. Zudem war sein Vater Arzt und Kunstsammler und somit im Besitz des surrealistischen Schlüsselbildes von Max Ernst Rendezvous der Freunde. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich das ganze Projekt. Während der Dreharbeiten ergaben sich die drei Erzählstränge: das Schicksal von Jimmy Ernst und das der Druckerei J.J.Augustin sowie die Entwicklung der Schrift.
Glückstadt am Fleth wurde von den Dänen als Konkurrenz zu Hamburg gegründet. Allerdings wurde die Rechnung ohne die Elbe gemacht, der Hafen versandete ständig und die großen Frachtsegler fuhren weiter in die Hansestadt. In dieser malerischen Kulisse entstand 1632, nur 15 Jahre nach der Stadtgründung die erste königliche Buchdruckerei. 1775 begann mit dem Kauf durch Jakob Johann Augustin die Ära der Druckerei J.J. Augustin. In der Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts waren hier zeitweise bis zu 120 Mitarbeiter beschäftigt, die in 108 Fremdsprachen für Kunden in der ganzen Welt druckten.
Dem fünfzehnjährigen Jimmy Ernst, Sohn des Malers Max Ernst und der jüdischen Kunsthistorikerin Lou Straus wird hier von der Familie Augustin 1935 Unterschlupf gewährt. Unter dem Schutz des Hauses wurde er zum Schriftsetzer ausgebildet und konnte 1938 noch rechtzeitig in die USA auswandern, wo er bis zu seinem Tod als Künstler lebte.
Die Maschinen in der einst bedeutendsten Fremdsprachendruckerei stehen seit den 1970er Jahren still. Die innovativen Monotype-Maschinen sind verrostet. Jegliche Bemühungen den Ort würdig zu aktivieren scheitern bis heute.
Die Produktion des Films war aufgrund spezieller Kamerafahrten und -technik sehr aufwändig. Die Musik wurde eigens von der Pianistin Ulrike Haage komponiert. Film und Musik wurden 2010 mit dem Norddeutschen Filmpreis ausgezeichnet. Die Fotos von Candida Höfer, die für ihre Innenaufnahmen bekannt ist, kamen als I-Tüpfelchen dazu. Diese sind im Abspann und im parallel von der Edition Raasch herausgebrachten Buch zu sehen. Ihr gefiel das Projekt und schnell war sie vom verwilderten Areal der verlassenen Druckerei überzeugt. Für die Aufnahmen musste alles weggeräumt werden, was nichts mit der Druckerei zu tun hatte, jedoch ohne dabei die Patina zu beschädigen. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein GmbH und die Filmwerkstatt Kiel der FFHSH haben die Umsetzung unterstützt.
Der Film wurde erst im Museum für Arbeit in Hamburg vorgestellt, ging dann inklusiv einer Ausstellung ins Gutenberg Museum nach Mainz. Danach wanderte die Ausstellung ans Max Ernst Museum in Brühl und weiter ans Landesmuseum Schloss Gottorf. Dort und auf verschiedenen Festivals wurde der Film gezeigt.
Die breite Reaktion und der Erfolg des Films gaben dem Interesse des Wiederauflebenlassens des Ortes neuen Schwung. Langfristig strebten die Macher die Einrichtung eines aktiven Museums an und gründeten den Verein Zeichen der Welt. Damit sollte nicht nur das historische Gebäude, die Drucktechnik sowie die vorhandenen Schriften der Druckerei erhalten, sondern auch ein guter Ausgangsort für Künstler, Handwerker und Literaten geschaffen werden. Leider spielte das kleinstädtische Glückstadt, was einst für die ganze Welt gedruckt hat, nicht mit. Der einstige Spirit Augustins erlosch nach und nach, trotz Förderung durch das Land Schleswig-Holstein und möglichen Mitteln vom Bund. Selbst das gegenüberliegende Detlefsen-Museum kannte den Schatz nicht. Der vordere Bereich des Gebäudes steht mittlerweile unter Denkmalschutz, das Setzereigebäude allerdings nicht. Gut, dass zumindest das Inventar in Sicherheit gebracht werden konnte. Schleswig-Holstein hat die Bibliothek in Obhut genommen, die Matrizensammlung wurde mit Hilfe der Rudolf Augstein Stiftung erfasst und gesichert. Allein vom kleinen a existieren 400 Varianten. In den verschlungenen Kellergewölben lag vor einigen Jahren noch alles voller Blei. Was aus dem historischen Ort wird, liegt am Ende in der Hand der Nachkommen.
CHINESISCHE RADIKALE
Der Matrizenfund in Glückstadt
D 2018, 25 Minuten
Regie: Maria Hemmleb, Artur Dieckhoff
Idee/Buch: Christian Bau, Artur Dieckhoff
Kamera: Jonny Müller-Goldenstedt
Montage: Maria Hemmleb
Ton: Maik Farkas
Sounds: Franz Danksagmüller
Der dritte Film erzählt vom Chinesischen Zirkel, einer Erfindung von Heinrich Wilhelm Augustin. Bereits 1912 erhält die Druckerei eine Anfrage für den Werksatz zum Thema Ackerbau und Seidengewinnung in China. Dafür besorgt sich Augustin 7.200 chinesische Schriftzeichen. Der Schriftsatz erweist sich jedoch als zu klein als 1926 das Jahrbuch des Clubs chinesischer Studenten in Berlin gesetzt werden soll und wird um weitere 12.000 Zeichen erweitert. Diese Menge an Zeichen musste nicht nur sinnvoll untergebracht werden, sondern auch vom Setzer gut und praktisch händelbar bleiben. Also wurden die Setzkästen in sieben Segmenten eines Achtecks neben- und übereinander gestapelt. Der Aufbau glich der einer Arena, in der sich der Setzer frei drehen und bewegen konnte, ohne endlos an langen Regalen entlanglaufen zu müssen. Die Zeichen selbst wurden mit Nummern versehen und in 227 sogenannte Radikale sortiert. Dies ist eine Klassifizierung der Zeichen nach Anzahl und Form der Striche. Anhand der Nummer konnte der Setzer ohne Sprachkenntnisse das richtige Zeichen aus dem Setzkasten fischen.
Der größte Chinesische Zirkel war im Keller der Druckerei eingebaut und füllte diesen komplett aus. Sein Zustand war desolat. Er wurde erfolgreich demontiert, restauratorisch aufgearbeitet und steht jetzt im Gutenbergmuseum in Mainz.
Im Film besucht der Schriftexperte Jürgen Bönig mit der chinesischen Kalligrafin Ping Qiu Glückstadt. Gemeinsam bergen sie den Fund von tausenden chinesischen Lettern und entsprechenden Matrizen. Zusammen mit dem Graveurmeister Daniel Janssen und dem Monotype-Spezialisten Erich Hirsch entsteht während des Films die chinesische Letter und Matrize für das Wort Zeichen, ganz wie in den Zeiten von Augustin.
Text: Ilka Zoche, Klaus Raasch / Fotos: Ilka Zoche, Matthias Knoch / Galeriebilder Screenshots aus den Filmen mit freundlicher Erlaubnis von diethede
Das Angebot von Frau Dr. Richter, Leiterin des Museums für Druckkunst in Leipzig, für die Kabinettausstellung „Neue Wege zu alter Weisheit. Hieroglyphen im Buchdruck“ einen Hieroglyphen-Satz zu setzen, betrachtete ich als verspätete aber dennoch einmalige Chance und besondere Aufgabe nach einem bereits erfolgreichen Berufsleben. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Ägyptischen Museum der Universität Leipzig. Für die anspruchsvolle Satzarbeit sollte ich Unterstützung von Dr. Peter Dils, Ägyptologe, und seinem Team bekommen. Dafür war ich sehr dankbar, denn ich brauchte für die Satzarbeit ein aussagefähiges Manuskript und hatte obendrein keinerlei Vorstellung, welche Typen ich dafür aus welchem Schriftkasten benötigte. Zum einen ging es hier nicht um einen normalen Text und zum anderen waren die Schriftkästen, in denen die Hieroglyphen abgelegt waren, nicht nach deutscher Setzkasten-Norm bestückt.
Der große Hieroglyphen-Setzkasten
Im Vorfeld listeten die Experten akribisch auf, welches Schriftsymbol sich in welchem Kasten und in welchem Fach befand. Das Manuskript wurde von Dr. Dils mittels eines Hieroglyphen-Font am Computer erstellt. Die benötigten Schriftsymbole waren nach einem Koordinatensystem in den Setzkästen sortiert. Die Vorarbeit dauerte ungefähr eine Stunde. Danach konnte ich mit dem eigentlichen Satz beginnen.
Es stellte sich heraus, dass ich, wegen der unterschiedlichen Schriftgrade der einzelnen Typen ohne Winkelhaken arbeiten musste. Zwei, drei oder sogar vier Symbole übereinander zu einem Begriff zu kombinieren, war hierbei die eigentliche Herausforderung. Dazu musste ich unterschiedliche Schrifthöhen innerhalb einer Zeile ausgleichen. Ich entschloss mich, die selbe Setztechnik wie für ein Plakat anzuwenden. Dabei werden die Typen auf dem Setzschiff zusammengestellt und anschließend mit Blindmaterial aufgefüllt.
Vorab schätzte ich die Satzbreite auf 28 Cicero, musste aber dann in der Praxis auf 32 Cicero erweitern, da ich die einzelnen Typen mit 2 bis 4 Punkt gesperrt hatte.
Es war notwendig, einige Lettern zu bearbeiten (sägen, ausklinken). Außerdem habe ich die erste Zeile mit einem zusätzlichen Papierstreifen an der Durchschuss-Reglette stabilisiert, da Schriftgrad und Blindmaterial nicht hundertprozentig übereinstimmten.
Nach zwei Stunden hatte ich die erste Zeile fertig und die Typen der zweiten Zeile ohne Blindmaterial zusammengestellt.
Die ersten Zeilen
Es bleibt noch zu erwähnen, dass ich die einzelnen Typen innerhalb einer Zeile nicht nur in der Höhe ausgleichen musste, sondern auch in der Breite, da die einzelnen Typen unterschiedlich breit waren. Damit bildeten die zusammengesetzten Lettern eine geschlossene Einheit – praktisch ein kleiner Satz im Satz.
Die Detailansicht der zusammengesetzten Symbole
Ich hätte bei einigen Typen zum Ausgleichen 4-Punkt-Gevierte haben müssen, um sie exakt auf Mitte zu stellen (das Minimum sind 6 Punkt-Gevierte). Dieses kleine Problem habe ich mit angefeuchteten Papierkügelchen gelöst, die ich mithilfe der Ahle in die entsprechenden Zwischenräume gesteckt habe.
Das Ausschließen bzw. Fertigstellen der zweiten Zeile dauerte 45 Minuten. Danach begann ich mit der dritten Zeile. Langsam bekam ich Routine, da sich die Probleme wiederholten und ich nun wusste, worauf zu achten war.
Nach Fertigstellung der dritten Zeile band ich den Satz aus. In Vorbereitung stellte ich die Typen für die letzte, also vierte Zeile schon einmal in einem Holzwinkelhaken zusammen, um am folgenden Tag den Satz fertigzustellen.
Vorab gab es aber erstmal eine Besprechung mit Herrn Dr. Dils und Frau Hertel (wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums und Kuratorin der Ausstellung). Hierbei ging es um eine erste Einsichtnahme und gegebenenfalls Korrektur der gesetzten Zeilen.
Fachhieroglyphisch: „Der Standardschriftkegel der Hieroglyphen war 18 Punkt, Symbole, die mit anderen Symbolen kombiniert werden mussten, hatten allerdings 4, 6, 8 oder 12 Punkt-Kegel. Übereinander gestellt ergab sich bei einigen Symbolen dann eine Schriftgröße von bis zu 2 Cicero, also 24 Punkt. Dadurch entstanden letztendlich vier Zeilen mit unterschiedlicher Zeilenhöhe, nämlich von 18 bis 24 Punkt: Erste Zeile = 20 Punkt, zweite Zeile = 18 Punkt, dritte Zeile = 24 Punkt und vierte Zeile wieder 18 Punkt.“
Nach der Autorenkorrektur hatten dann alle vier Zeilen die gleiche Höhe von 18 Punkt, da ich auf Anraten von Dr. Dils große Symbole durch diejenigen eines kleineren Schriftgrades ersetzt habe. Dadurch ergab sich auch ein gefälligeres Gesamtbild des Satzes.
Generell: Der britische Ägyptologe Sir Alan Gardiner hat den Font so entwickelt, dass alle Hieroglyphen innerhalb einer Zeilenhöhe von 18 Punkt bleiben. An den Stellen, wo das nicht gelingt, muss der Herausgeber vom hieroglyphischen Steinoriginal abweichen.
Nach einer zweiten und letzten Korrektur wurde auf der Linotype (Zeilensetzmaschine) die deutsche Übersetzung des Textes in 12 Punkt Times gesetzt. Nun mussten diese Zeilen noch dem Hieroglyphensatz angepasst werden, um den Text in einer extra Form bzw. in einer zweiten Farbe in den Hieroglyphentext einzudrucken. Dazu hatten sich Frau Hertel und ich entschieden, um dem Drucker die Arbeit zu vereinfachen. Ansonsten hätten die Maschinensatz-Zeilen dem Hieroglyphensatz in der Schrifthöhe angepasst werden müssen, denn die Hieroglyphen-Lettern sind um etwa ein Punkt höher als die deutsche Schrifthöhe.
Der fertige Satz im Schließrahmen
Den fertigen Hieroglyphen-Satz schloss ich in einen kleinen Schließrahmen, um ihn auf lockeres Blindmaterial zu prüfen. Das Ergebnis ist hier und in der Ausstellung im Museum für Druckkunst noch bis zum 11.9.2022 zu sehen.
Text und Fotos: Dieter Seppelt
Hektisch fahre ich den PC runter, speichere schnell noch zwei Dokumente – eine Exceltabelle mit 800 Zeilen und ein Bericht mit Kopf- und Fußzeile. Ich radle los, 20 Minuten in die Nonnenstraße zum Handsatzkurs. Ich bin eine Textarbeiterin und ahne nicht, dass mich dort eine verwunschene Welt vergangener Zeiten erwartet. Unüberschaubar viele schwere Setzkästen mit Lettern, ein original Setzerarbeitsplatz mit schwenkbarem Schemel, auf den ich mich nicht setze, weil ich viel zu aufgeregt bin, empfangen mich. Meister Seppelt führt uns in diese Welt der Setzerei ein, die von Fachbegriffen nur so wimmelt. Ausschluss, Cicero, Fisch, Geviert, Spatien, Zwiebelfisch begleiten mich in den acht kommenden Unterweisungen. Ich bekomme einen Winkelhaken, den meine schwitzigen Finger umklammern, immer darauf bedacht, dass mir das Ding niemals runterfällt und die mühsam zusammengesuchten Zeichen auf dem Fußboden verteilt werden.
Nach drei Stunden halte ich mein erstes Werk in den Händen: zehn Zeilen Text im Blocksatz frisch gedruckt auf einer Karte. Ein dadaistisch anmutender Text, der von „Leichen“, „Spießen“, „Hochzeiten“ und Rechtschreibfehlern nur so wimmelt. Es ist anstrengend, konzentriert zu bleiben, weil alles neu ist und ich ungeübt bin. In welchem Fach befindet sich „Q“ im Setzkasten? Auf der Tastatur finde ich die Buchstaben blind. Was tue ich, wenn die Zeile des Winkelhakens zwar gefüllt ist, aber immer noch wackelt? Herr Seppelt rät: „Ausschließen“. In meinem Arbeitsalltag löst das für mich die Textverarbeitung hinter den Kulissen. Die wahre Herausforderung steht uns jedoch noch bevor – eine Meldzettel im Tabellensatz. Meister Seppelt lächelt wissend. Zuerst rechnen wir, aber nicht die Zelleninhalte sondern die Maße der Tabelle im „Satzschiff“, abzüglich der halbfetten Linien und zentrierten Spaltenüberschriften in 8-Punkt-Schrift. Hätte ich mal gründlich gerechnet, dann wäre ich in der Lage gewesen, die Leerstellen gezielt mit „Gevierten“, „Regletten“ und „Konkordanzen“ zu füllen. So probierte ich nach Augenmaß und Fingerspitzengefühl. Es entstand ein Unikat, das auch im Druck funktionierte, jedoch niemals rekonstruierbar sein würde.
Den Kurs verlasse ich nach acht Treffen in der Werkstatt stolz mit einer echten Urkunde, fünf gedruckten Postkarten und wahren Einsichten:
Erstens: Die Setzer sind äußerst akkurat arbeitende Handwerker. Wer versucht zu schummeln, fliegt sofort auf.
Zweitens: Ohne Wörterbuch der Setzersprache ist man aufgeschmissen.
Drittens: Die größte Mühe bereiten die Bereiche, die nicht zu sehen sind.
Zurück am PC freue mich darüber, wie jeder Zeilenumbruch automatisch gelingt. Eine neue Zeile in eine Tabelle einzufügen – ein Kinderspiel. Dank des Handsatzkurses bekomme ich eine Ahnung, welche handwerklichen Vorgänge die Software ersetzt, jedoch nur teilweise. Es riecht nicht nach Arbeit, es fehlt die Atmosphäre im „Offizin“, die Schwere der Setzkästen, die Haptik der Lettern und die Druckerschwärze an den Fingern. Herzlichen Dank, Herr Seppelt, für die Einblicke in Ihre ausgefeilte Handwerkskunst.
Text: Ulrike Richter
Kursprogramm im Überblick
Übung 1 – Glatter Satz (10 Punkt Schrift auf 20 Cicero, mindestens 20 Zeilen nach Manuskript, ca. 1.066 Anschläge)
Lernziel: Winkelhaken stellen, Haltung des Winkelhakens, Ausschluss (Spatien, Quadrate, Regletten, Gevierte usw.) kennenlernen, Lettern in Winkelhaken stellen, Wortzwischenräume bei Blocksatz verringern bzw. erweitern, Zeilen aus dem Winkelhaken ausheben, Satz ausbinden, abziehen, ablegen
Übung 2 – Satz einer Akzidenz (in unserem Falle eine Grußkarte) zur Selbstnutzung
Lernziel: Manuskripterstellung, Scribble/Entwurf, was ist ein Satzspiegel, Farbigkeit, Schriftwahl
Übung 3 – Satz einer Tabelle nach Manuskript
Lernziel: Genaues Setzen nach vorliegendem Manuskript, Kennenlernen von Linientypen/Linienstärken, Satztechnik für Tabellenkopf, Linienanschlüsse, Satz der Querlinien als zweit Form
Meister Seppelt stellt sich vor
Wie bin ich in das Museum für Druckkunst gekommen? Das beinhaltet auch die Frage: Wie bin ich nach Leipzig gekommen? Der Grund war, wie so häufig, die Liebe. Aber nicht die Liebe zum anderen Geschlecht, sondern die Liebe zu dieser Stadt. Ich wollte hier in Leipzig meinen Lebensabend verbringen aber gleichzeitig auch ehrenamtlich tätig sein. Und was liegt da näher, wenn man schon Schriftsetzer gelernt hat und im grafischen Gewerbe tätig war, seine Dienste dem Museum für Druckkunst anzubieten? Und nun bin ich hier schon seit einigen Jahren!
Dieter Seppelt ist Jahrgang 1946 und gelernter Schriftsetzer. Ab 1967 war er als Akzidenzsetzer in einer Spezialdruckerei für Bahn- und Postformulare tätig. Von 1971 bis 1984 arbeitete er als Korrektor in der Qualitätskontrolle. Als Designer in der Grafikabteilung gestaltete er ab 1987 Geschäftsdrucksachen und Corporate Identities und konzipiert komplizierte Durchschreibe-Formulare am Macintosh-Computer. Von 1995 bis 1999 leitete er die Druckvorstufe. Aufgrund von innerbertieblichen Umstrukturierungen wird er ab 2001 zum Produktioner in der Herstellungsabteilung des hauseigenen Verlages. Seit Sommer 2009 ist Herr Seppelt im wohlverdienten Ruhestand. Naja, nicht ganz. Denn schon seit 2010 arbeitet er als Redakteur und Hersteller für ein städtisches Senioren-Journal und veröffentlicht eigene Bücher.
Fotos: Ilka Zoche, Ulrike Richter, Alexander Warkus
Im Mai 2021 hat uns der Maler, Grafiker, Drucker und Musiker André Uhlig in seine Werkstatt in die Neue Straße 18 in Radebeul zu einem Tiefdruckworkshop eingeladen. Sechs Polygrafen sind der Einladung gefolgt und hatten die Möglichkeit, ihre künstlerische Ader zu entdecken. Wobei, ganz ohne handwerkliches Geschick und Kenntnisse der entsprechenden Technik ging es dann doch nicht. Bevor es also so richtig losgehen konnte, hat uns André die verschiedenen Tiefdrucktechniken erklärt. In dem gemütlichen Atelier, das er sich mit der Theatermalerin Birgit Köhler seit 2010 teilt, verbrachten wir einen sehr produktiven und inspirierenden Tag. Wir haben uns an der Kaltnadelradierung in Verbindung mit Aquatinta versucht, jeder anhand einer selbstgewählten Vorlage.
Als erste Fingerübung haben wir unsere Motive mit einem spitzen Griffel, der Kaltnadel, seitenverkehrt in eine Acrylplatte geritzt. Der richtige Kratzton verriet, ob das Werkzeug auch richtig in der Hand lag. Die entstandenen Vertiefungen und der aufgeworfene Grat wurden dann über einen Tampon eingefärbt, die überflüssige Farbe mit dem Handballen, Gaze oder Papier (besonders geeignet sind Telefonbuchseiten) ausgewischt. Die Platte wurde mit der Druckseite nach oben in die Druckpresse gelegt und darüber exakt das vorher angefeuchtete Büttenpapier positioniert. Der Druckzylinder drückt über einen Druckfilz das Büttenpapier in die Vertiefungen der Platte und holt dabei die Farbe aus den Vertiefungen der Druckplatte. Wie sich herausstellte, waren unsere Striche stellenweise viel zu stark.
Gut, dass wir erst im zweiten Anlauf unsere Strichätzung auf die wertvollen kleinen Kupferplatten umgesetzt haben. Dafür wurde zunächst gleichmäßig Hartwachs auf die vorher entgrateten und polierten Kupferplatten aufgetragen. Beim Ritzen mit der Nadel oder anderen geeigneten Werkzeugen wird die Wachsschicht beschädigt. An diesen Stellen kann die Säure die Platte angreifen/ätzen und beim Druck die Farbe aufnehmen. Umgesetzt werden können so Strichlinien, Schraffuren und Ähnliches – jedoch keine Flächen. Das führten wir dann mit der Aquatinta-Technik durch. Die lange Zeit für die Ätzung nutzten wir für eine ausgedehnte Mittagspause. Danach wurden, wie oben bereits beschrieben, die Abdrucke gemacht. Das Ergebnis waren wunderschöne filigrane Motive auf extra zurechtgerissenen Büttenpapierformate.
Gestärkt ging es dann in die dritte Runde. Zuerst wurde ein pulverisiertes Kolophonium auf die fettfreie Platte gestäubt und über einer Heizplatte angeschmolzen. Entstanden ist eine gekörnte Oberfläche. Mit einem Pinsel haben wir Abdecklack aufgetragen und anschließend die Platte für jeweils zwei Minuten in ein Säurebad gelegt, danach unter fließendem Wasser abgespült und gut (mit einem Handfön) getrocknet. Das Prozedere wurde mehrmals wiederholt. Die zuerst abgedeckten Flächen blieben weiß bzw. bereits geätzte Grautöne wurden geschützt. Die Ätzlösung verursacht kleine Vertiefungen um das Aquatintakorn, in denen später die Druckfarbe hängen bleibt. Je länger geätzt wird, desto tiefer/breiter/dunkler werden die zu druckenden Flächen. Somit wird mit jedem Abdeck- und Ätzvorgang ein dunklerer Halbton hinzugefügt. Ein Negativbild auf diese Art und Weise zu erzeugen, war gar nicht so einfach und wir arbeiteten uns schrittweise von hell zu dunkel vor.
Nach der mehrstufigen Ätzung wurden das Aquatintakorn und alle Abdeckschichten komplett von der Platte entfernt. Danach wurde die Platte, wie bereits weiter oben bei der Kaltnadelradierung beschrieben, eingefärbt, ausgerieben und abgedruckt. Das Ergebnis waren schöne Graustufendrucke. Der Meister ließ es sich nicht nehmen, für jeden auch noch einen Druck aus zwei extra angemischten Farben zu erstellen. Von einer Aquatintaplatte können bis zu 100 Abzüge genommen werden, wenn man die Platte verstahlt dann auch bis zu 400. Da der Tag sich dann aber doch langsam dem Ende neigte, und wir alle ziemlich geschafft waren, blieb es bei zwei Abdrucken für jeden. Wir waren uns einig, dass dieser Tag wiederholt werden muss, auch um die Technik weiter zu verbessern. Eine Fortsetzung ist für 2022 geplant.
Nicht nur beim letzten farbigen Abdruck, sondern auch zwischendurch hat unser Lehrmeister immer mal wieder Hand angelegt. Die Bilder haben somit einen ganz besonderen Wert. Übrigens malt André mit Kaffee und Gewürzen und verleiht dadurch seinen Bildern besonderes warme Farbstimmungen. Für seine Druckgrafiken verwendet er auch Ostseesand. Wer seine Bilder sehen oder mehr über André Uhlig erfahren möchte, kann auf seiner Internetseite stöbern www.andreuhlig.de oder klopft an die Ateliertür zur offenen Tiefdruckwerkstatt am Donnerstag oder zum Malkurs am Montag.
Text: Ilka Zoche, André Uhlig / Fotos: Ilka Zoche
Wunderschöne Shirts sind bei unserem Siebdruck-Workshop im Oktober 2020 im Douze Printshop von Lars P. Krause entstanden, außerdem Stoffbeutel in vier verschiedenen Dekors und allen möglichen Farben. Kein Druckprodukt gleicht dem anderen, aber alle zeigen: Wir sind ein Kollektiv, ein wahrhaft buntes!
Im künstlerisch-kreativen Umfeld von Lars P. Krause, der sich als Drucker von Gig-Postern für Bands weit über Deutschland hinaus einen Namen gemacht hat und der u.a. Key-Visuals für Ausstellungen und Getränkemarken, Kinoplakate oder Wandbilder entwirft, fühlten wir uns von Anfang an gut aufgehoben. Den Kontakt zum Siebdrucker hat Sven-Uwe Strom hergestellt. Seine Druckerei WDS Pertermann arbeiten schon einige Zeit mit Lars P. Krause zusammen.
Nach einem ersten Blick auf Poster, Plakate, Druckausrüstung, Farbtöpfe und Siebe gingen wir unter seiner Anleitung frisch ans Werk. Ein erstes Sieb war schon vorbereitet, drei weitere mussten belichtet und ausgewaschen werden. Ein Kärcher leistet dabei hervorragende Dienste – wie wir jetzt wissen. Parallel dazu zeigte uns Lars, wie die Shirts zum Druck unter dem Sieb positioniert werden müssen und wie das Rakel über das Sieb gezogen werden muss, damit die Motive perfekt aufs Shirt gelangen. Farben wurden gemischt, Siebe immer wieder von überschüssiger Farbe befreit, Motive „gerettet“ und Sonderwünsche bestmöglich erfüllt. Jeder werkelte und probierte aus – hoch konzentriert und unter Anerkennung aller anderen, die sich über immer wieder neue gelungene Farbkombinationen freuten. Zum Glück hatte Ilka reichlich Shirts und Taschen beschafft, so dass sich auch spontane Wünsche erfüllen ließen.
Ein großes Paket echter Leipziger Lerchen wirkte der drohenden Unterzuckerung entgegen. Trotzdem waren alle nach fast sechs arbeitsreichen Stunden platt. Zum Glück wartete im Dresdner Szeneviertel noch ein Tisch auf uns, so dass wir unsere Siebdruck-Erlebnisse bei einem zünftigen Abendessen vertiefen konnten. Die Ergebnisse unserer Arbeit trockneten derweil im Douze Printshop. Eine Woche dauerte es noch, bis wir alle ein kaltfolienveredeltes Päckchen in der Hand hielten, in dem sich unsere Druckergebnisse befanden. Wir freuten uns über Shirts und Taschen, die uns unverwechselbar machen.
Und hier der Siebdruck kurz erklärt:
Statt einer Druckplatte wird eine Siebschablone für das Durchdruckverfahren erstellt. Die Grundlage dafür ist ein feinmaschiges Polyestergewebe, das in einen Rahmen aus Holz oder Aluminium gespannt und anschließend lichtempfindlich beschichtet wird (dünn und gleichmäßig). Die Feinheit des Siebgewebes (Faden pro Zentimeter) bestimmt die Rasterweite. Gedruckt werden können ausschließlich Volltonfarben. Die Farbkonsistenz und -zusammensetzung wird auf den jeweiligen Bedruckstoff angepasst. Das beschichtete Sieb und die Vorlage, ein seitenrichtiges Positiv, werden per Unterdruck aneinander gepresst und mit UV-Licht bestrahlt. Die Stellen, an denen das Licht nicht geblockt wird, härten aus. Die anderen bleiben löslich und können anschließend mit Wasser ausgewaschen werden. Das sind am Ende die druckenden Bereiche. Die Siebdruckschablone wird nun auf einem Drucktisch montiert, der Rahmen wird zum Schutz vor Farbe abgeklebt und der Bedruckstoff unter dem Sieb ausgerichtet. Dann wird auf der sogenannten Farbruhe die Farbe aufgebracht. Mit einer leichten Vorschubbewegung des gummierten Rakels wird das Sieb zunächst mit Farbe geflutet. Beim Rückziehen des Rakels im richtigen Winkel und mit ausreichend Druck wird die Farbe durch das Sieb auf den Bedruckstoff übertragen. Das Sieb wird angehoben und erneut geflutet. Der fertige Druck muss ausreichend getrocknet und das Sieb gründlich gereinigt werden, bevor die nächste Druckfarbe aufgebracht werden kann. Mit einem Hochdruckreiniger und speziellem Reinigungsmittel kann das Sieb wieder komplett entschichtet werden.
Bei der Überlegung, für das Polygrafen Kollektiv ein Logo bzw. ein Erscheinungsbild zu entwerfen, stieß ich auf ein Bild von Thomas Moecker. Eine schwarze Grafik mit grober Textur, zusammengesetzt aus Flächen und Formen mit industriellen Zügen. Perfekt, dachte ich und versuchte anhand dieser Vorlage selbst etwas zu entwerfen. Dafür traf ich mich mit Thomas in seinem Atelier, um etwas über die Maltechnik zu erfahren. Am Ende habe ich alles verworfen und kurzerhand das Original erworben. Großzügigerweise zusammen mit der Erlaubnis, das Bildmotiv nicht nur zu verwenden, sondern auch zu verfremden und in allen erdenkliche Arten zu nutzen. Das ist natürlich großartig, denn das Motiv bietet eine wunderbare Spielwiese für Assoziationen und Kombinationen. Ihr seht es ja selbst, sei es im Logo, in der Animation auf der Webseite oder als Druck auf Shirts und Taschen, als Vorlage für eine Tiefdruck-Collage, auf Buttons usw.
Interessanterweise beschreibt der Maler sein 88 x 28 cm großes Bild selbst, wie folgt: „Die Arbeit „Modern Institution“, Acrylfarbe auf Karton von 2015 ist im Zusammenhang einer Serie von Arbeiten in gleicher Maltechnik entstanden. Hintergrund dieser Serie ist die Beschäftigung mit der Architektur der Moderne und ihres umfangreichen Formenkanons. In dieser Serie habe ich verschiedene Stereotypen dieser Epoche in ihrer Form simuliert. Die Arbeit „Modern Institution“ steht in diesem Fall sinnbildlich für den Übergang von früher Industriearchitektur hin zu moderner Fabrikarchitektur und kann verschiedene Produktionen und auch wissenschaftliche Institutionen unter ihrem Dach beherbergen.“
Thomas Moecker geboren 1967 in Magdeburg, lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Leipzig. Sein Domizil hat er im Atelierhaus Frühauf e.V., welches Ende der 1990er Jahre von Absolventen der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) gegründet wurde und heute ca. 18 Künstlern, Gestaltern, Autoren und Illustratoren einen gemeinsamen Produktionsort bietet. Damals war das ungenutzte Gebäude einer ehemaligen Pelzfabrik in der Windmühlenstraße 31b in einem beklagenswerten Zustand. Es erwies sich aber bei näherer Betrachtung als geeignet und wurde nach notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu einem Atelierhaus ausgebaut und somit vor dem Verfall gerettet.
Der Künstler Thomas Moecker hat ebenfalls an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert und seine künstlerische Ausbildung mit einem Meisterschülerstudium für Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden abgeschlossen. Seine künstlerischen Ausdrucksmittel sind installative und bildhauerische Arbeiten, Malerei und Grafik.
Text/Fotos: Thomas Moecker, Ilka Zoche
„In Hamburg sagt man Tschüss, das heißt auf Wiedersehn. In Hamburg sagt man Tschüss, beim Auseinandergehn. In Hamburg sagt man Tschüss, das klingt vertraut und schön. Und wer einmal in Hamburg war, der kann das gut verstehn.“ (Hamburger Walzerlied von Hans Peter Landau)
Mittlerweile liegt unser Besuch bei den hanseatischen Polygrafen schon einige Zeit zurück. Aber die Nachwirkung hält noch immer an. Wenn es jemand geschafft hat, den nötigen Respekt für die Schwarze Kunst einzufordern, dann waren es die aktiven Mitglieder des Museums für Arbeit in Hamburg-Barmbek, ehemalige Schriftgießer, Setzer und Drucker. Fachleute mit einigen hundert Jahren Erfahrung, die ihren Beruf, ja ihre Berufung lieben. Die „alten Hasen“ pflegen die Maschinen, planen Projekte, geben ihr Wissen gern und ausführlich an alle Interessierten weiter und produzieren ganz nebenbei noch schöne Druckerzeugnisse. Alles wird mit so viel Herzblut betrieben, dass man am Ende ganz stolz ist, ein kleines Zahnrad in diesem Handwerksgetriebe zu sein. Einen herzlichen Dank für die wunderbare Führung durch die Grafischen Werkstätten im Februar 2019.
Um unsere Euphorie zu verstehen, möchte ich unbedingt auf die beruflichen Werdegänge einiger Hamburger Kollegen eingehen. Lest dazu die Artikel über Friedel, Wolfgang, Erich, Gerhard und Walter. Innerhalb dieser Texte werden auch „Ingrid“ – die hölzerne Spindelpresse und ein einzigartiges Museumsstück, das funktionsfähige Modell einer Rotationsdruckmaschine im Maßstab 1:10 vorgestellt und die Verfahrensweise der Monotype erklärt.
Wie schrieb Klaus Raasch einmal so treffend: „Was wäre die ‚Schwarze Kunst‘ ohne die ‚Weiße‘!“ Das war auch der eigentliche Anlass unserer Reise die 14. BuchKunstDruck Messe. „Schönes und Schräges, Traditionelles und Experimentelles, Erschwingliches und Exklusives auf und aus Papier“ wird seit 1998 dargeboten. Die damals als „Norddeutsche Handpressenmesse“ von Stefan und Wibke Bartkowiak gegründet, hat sich mittlerweile zu einer Verkaufsmesse mit über 50 Ausstellern und ca. 2.500 Besuchern etabliert und findet jährlich für drei Tage statt. Wir sind gern er Einladung von Herrn Raasch, der die Messe seit 2017 organisiert, gefolgt.
Klaus Raasch, Jahrgang 1960 begegnete Mitte der 1970er Jahre in Essen-Werden dem Buchdruck. Nach dem Abitur und anschließendem Zivildienst studierte er an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (Schwerpunkt Visuelle Kommunikation). Zusammen mit Artur Dieckhoff gründete er 1984 das Buchdruckatelier „Schwarze Kunst“. Seit 1986 ist er selbständig als Gestalter, Buchdrucker und Verleger tätig. Er war Herausgeber der „Edition Die Holzschnittbücher“ in Zusammenarbeit mit dem Gutenberg-Museum Mainz, dem Büchergilde ARTclub und dem Museum der Arbeit. Von 2002 bis 2012 war er freier Mitarbeiter in der Grafischen Abteilung des Museums der Arbeit.
Bei herrlichem Sonnenschein und einer einzigartigen Atmosphäre verbrachten wir eine inspirierende Zeit auf dem denkmalgeschützten Fabrikgelände der ehemaligen New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie von 1871.
Parallel zur Messe zeigten Maria Hemmleb und Artur Dieckhoff ihren Film „Chinesische Radikale“.
Er handelt von dem Fund von ca. 6.400 chinesischer Lettern und dazu passenden Matritzen in der ehemals bedeutendsten privaten Fremdsprachendruckerei J. J. Augustin in Glückstadt. Dazu wird es sicher noch einen eigenen Artikel auf unserer Internetseite geben.
Schön war es auch zwei bekannte Gesichter aus der Heimat auf der Messe zu treffen. Das Museum für Druckkunst in Leipzig hatte anlässlich des Clara Schumann Jahres einen kleinen Stand zum Thema Musiknotendruck. Zusammen haben wir dann ganz gemütlich den Tag auf dem Feuerschiff LV13 im Hamburger Hafen bei frisch gezapftem Bier und Fisch in der Mannschaftskombüse ausklingen lassen.
Text (nach Angaben von Klaus Raasch) und Fotos: Ilka Zoche / Foto Klaus Raasch: Michael Zapf