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Ritzen, Ätzen, Drucken

Im Mai 2021 hat uns der Maler, Grafiker, Drucker und Musiker André Uhlig in seine Werkstatt in die Neue Straße 18 in Radebeul zu einem Tiefdruckworkshop eingeladen. Sechs Polygrafen sind der Einladung gefolgt und hatten die Möglichkeit, ihre künstlerische Ader zu entdecken. Wobei, ganz ohne handwerkliches Geschick und Kenntnisse der entsprechenden Technik ging es dann doch nicht. Bevor es also so richtig losgehen konnte, hat uns André die verschiedenen Tiefdrucktechniken erklärt. In dem gemütlichen Atelier, das er sich mit der Theatermalerin Birgit Köhler seit 2010 teilt, verbrachten wir einen sehr produktiven und inspirierenden Tag. Wir haben uns an der Kaltnadelradierung in Verbindung mit Aquatinta versucht, jeder anhand einer selbstgewählten Vorlage.

Als erste Fingerübung haben wir unsere Motive mit einem spitzen Griffel, der Kaltnadel, seitenverkehrt in eine Acrylplatte geritzt. Der richtige Kratzton verriet, ob das Werkzeug auch richtig in der Hand lag. Die entstandenen Vertiefungen und der aufgeworfene Grat wurden dann über einen Tampon eingefärbt, die überflüssige Farbe mit dem Handballen, Gaze oder Papier (besonders geeignet sind Telefonbuchseiten) ausgewischt. Die Platte wurde mit der Druckseite nach oben in die Druckpresse gelegt und darüber exakt das vorher angefeuchtete Büttenpapier positioniert. Der Druckzylinder drückt über einen Druckfilz das Büttenpapier in die Vertiefungen der Platte und holt dabei die Farbe aus den Vertiefungen der Druckplatte. Wie sich herausstellte, waren unsere Striche stellenweise viel zu stark.

Gut, dass wir erst im zweiten Anlauf unsere Strichätzung auf die wertvollen kleinen Kupferplatten umgesetzt haben. Dafür wurde zunächst gleichmäßig Hartwachs auf die vorher entgrateten und polierten Kupferplatten aufgetragen. Beim Ritzen mit der Nadel oder anderen geeigneten Werkzeugen wird die Wachsschicht beschädigt. An diesen Stellen kann die Säure die Platte angreifen/ätzen und beim Druck die Farbe aufnehmen. Umgesetzt werden können so Strichlinien, Schraffuren und Ähnliches – jedoch keine Flächen. Das führten wir dann mit der Aquatinta-Technik durch. Die lange Zeit für die Ätzung nutzten wir für eine ausgedehnte Mittagspause. Danach wurden, wie oben bereits beschrieben, die Abdrucke gemacht. Das Ergebnis waren wunderschöne filigrane Motive auf extra zurechtgerissenen Büttenpapierformate.

Gestärkt ging es dann in die dritte Runde. Zuerst wurde ein pulverisiertes Kolophonium auf die fettfreie Platte gestäubt und über einer Heizplatte angeschmolzen. Entstanden ist eine gekörnte Oberfläche. Mit einem Pinsel haben wir Abdecklack aufgetragen und anschließend die Platte für jeweils zwei Minuten in ein Säurebad gelegt, danach unter fließendem Wasser abgespült und gut (mit einem Handfön) getrocknet. Das Prozedere wurde mehrmals wiederholt. Die zuerst abgedeckten Flächen blieben weiß bzw. bereits geätzte Grautöne wurden geschützt. Die Ätzlösung verursacht kleine Vertiefungen um das Aquatintakorn, in denen später die Druckfarbe hängen bleibt. Je länger geätzt wird, desto tiefer/breiter/dunkler werden die zu druckenden Flächen. Somit wird mit jedem Abdeck- und Ätzvorgang ein dunklerer Halbton hinzugefügt. Ein Negativbild auf diese Art und Weise zu erzeugen, war gar nicht so einfach und wir arbeiteten uns schrittweise von hell zu dunkel vor.

Nach der mehrstufigen Ätzung wurden das Aquatintakorn und alle Abdeckschichten komplett von der Platte entfernt. Danach wurde die Platte, wie bereits weiter oben bei der Kaltnadelradierung beschrieben, eingefärbt, ausgerieben und abgedruckt. Das Ergebnis waren schöne Graustufendrucke. Der Meister ließ es sich nicht nehmen, für jeden auch noch einen Druck aus zwei extra angemischten Farben zu erstellen. Von einer Aquatintaplatte können bis zu 100 Abzüge genommen werden, wenn man die Platte verstahlt dann auch bis zu 400. Da der Tag sich dann aber doch langsam dem Ende neigte, und wir alle ziemlich geschafft waren, blieb es bei zwei Abdrucken für jeden. Wir waren uns einig, dass dieser Tag wiederholt werden muss, auch um die Technik weiter zu verbessern. Eine Fortsetzung ist für 2022 geplant.

Nicht nur beim letzten farbigen Abdruck, sondern auch zwischendurch hat unser Lehrmeister immer mal wieder Hand angelegt. Die Bilder haben somit einen ganz besonderen Wert. Übrigens malt André mit Kaffee und Gewürzen und verleiht dadurch seinen Bildern besonderes warme Farbstimmungen. Für seine Druckgrafiken verwendet er auch Ostseesand. Wer seine Bilder sehen oder mehr über André Uhlig erfahren möchte, kann auf seiner Internetseite stöbern www.andreuhlig.de oder klopft an die Ateliertür zur offenen Tiefdruckwerkstatt am Donnerstag oder zum Malkurs am Montag.

Text: Ilka Zoche, André Uhlig / Fotos: Ilka Zoche